So oft gehe ich mit falschen Vorstellungen in eine neue Stunde und so oft werde ich eines besseren belehrt, aber dennoch kann und kann ich es mir nicht abgewöhnen, im Vorfeld bereits auszumalen, was mich wohl erwartet. Hier bei Taekwondo hatte ich regelrecht ein bisschen Angst. Wenn man sich so Videos dazu ansieht, dann sieht das alles mordsmässig nach Technik aus, nach Beweglichkeit, nach Sprungkraft, nach Dehnung, alles Dinge, die ich nicht so drauf habe.
Es ist der Tag der offenen Türe, als ich den Taekwondo Club Villach besuche. Zuerst schon darf ich an einem Selbstverteidigungskurs teilnehmen, den ich einfach klasse finde, und dann die Einführung in das eigentliche Teakwondo.
Aber ganz von vorne: Ich betrete den Club. Beim Betreten des Clubs zieht man seine Schuhe aus, das steht dort geschrieben, daran halten sich auch alle. Auch am Tag der offenen Türe, Regeln sind Regeln. Im Clubhaus sind alle barfuss. Tolles Gefühl irgendwie, so geerdet. Ein paar Leute sehen zu, wie gerade die Kinder eine Vorführung machen. Die Zuschauer sprechen leise, um niemanden zu stören. Es mag sich jetzt alles streng anhören, aber es fühlt sich einfach schön an. Als könne man den Respekt vor allem hier richtig spüren. Wenn jemand den Raum betritt, dann grüsst er wortlos, nur mit einer Geste.
Als der Unterricht beginnt, stellen sich alle in einer bestimmten Reihenfolge auf. Wir sind zwei Neulinge beim Schnuppertraining, aber ohne von irgendwem eingewiesen zu werden, ist uns sofort klar, wo unser Platz ist. Und das Training ist wirklich so aufgebaut, dass jeder mitmachen kann. Man braucht keine speziellen Fähigkeiten im Vorfeld, Alter spielt keine Rolle, es gibt eigentlich so gar nichts, das einen davon abhalten könnte, da mitzutun. Es ist anspruchsvoll, zum Mitdenken, es sind Bewegungskombinationen, die hier gelehrt werden, aber alles im Bereich dessen, wie weit man es sich selbst zutraut und wie weit man körperlich und geistig fit und in der Lage ist.
Taekwondo ist aufbauend. Man hat es nicht in einer Stunde heraussen, nicht in zwei, nicht in drei. Taekwondo ist mehr als ein Training. Es lehrt Respekt, es lehrt Selbstvertrauen, es lehrt Miteinander, es lehrt Geduld, ganz, ganz viele Tugenden, die heutzutage beinahe schon in Vergessenheit geraten. Taekwondo ist ein Training für Körper und Geist. Man wird gelenkiger, man wird schneller, man wird fitter, möglicherweise bringt es sogar der Gesundheit was. Taekwondo ist gut für die Seele. Es ist ein Ort, an dem man abschalten kann, an dem man mit sich eins wird, ich würde übertreiben, würde ich spirituell sagen, aber man ist sich selbst so nahe, wie selten wo. Taekwondo hält geistig fit, denn die Bewegungsabläufe verlangen einem sehr wohl ein gewisses Mass an Mitdenken ab. Einige Mütter haben mir nach der Stunde erzählt, wie stolz auf ihre Kinder sind, denn Taekwondo machte aus ihren schüchternen Schützlingen selbstbewusste Heranwachsende. Aber auch Erwachsene erzählten mir, dass sie seit dem Training ganz ein anderes Selbstwahrnehmen haben.
Ich habe mich in diese Stunde verliebt. Am Anfang dachte ich: Alles Dinge, die ich nicht so drauf habe. Nach der Stunde dachte ich: Alles Dinge, die ich hier lernen könnte. Im Grunde widersprechen sich die beiden Aussagen nicht, dennoch ist ihre Bedeutung für mich so unterschiedlich, dass es unterschiedlicher nicht geht. Ich bin froh und dankbar, dass ich bei diesem Training dabeisein durfte und ich wiederhole mich nochmal: Es ist nie zu spät und es gibt kein zu unbeweglich, zu schwach, zu ungewohnt, zu schüchtern, Taekwondo ist wirklich eine Sportart für jeden und bietet auch jedem die Möglichkeit zu lernen und zu wachsen.
Ausprobiert bei: Taekwondo Club Villach, Harry Gusel, Wasenboden 6, 9500 Villach