Page 26 - Juniausgabe
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x-do: Aber Du bist rauf, wie war das?
Markus P: Ja, im Basislager waren noch 2 Amerika- ner, die auch raufwollten und auch schon 2 geschei- terte Versuche hinter sich hatten. Unser Problem im November war, dass untypisch für die Jahreszeit, an der Ostseite noch viel Schnee und Eis war. Aber ir- gendwann war die Wetterprognose für die nächsten 3 Tage gut und wir konnten los. Insgesamt waren wir 40 bis 45 Stunden unterwegs, wir mussten so- gar in einer Eishöhle biwakieren. Es war meine erste grosse Alpintour und wahrlich ein unvergessliches Abenteuer. Als wir am 03. November um 21:45 den Gipfel erreichten, erlebten wir gerade einen wunder- schönen Sonnenuntergang. Die Sonne ging unter, ein Meer an Natur, das sich vor mir erstreckte und mit- tendrin stiess der Gipel, der des Fitz Roy hervor, und ich dachte mir: „Wie soll man bloss jemals auf diesen Berg kommen?“
x-do: Was emp ndet man in so einem Moment?
Markus P: Beim Klettern muss man sich immer wied- er überwinden, aber wenn man etwas geschafft hat, dann ist man auf einer Welle auf einem Glücksex- trem, das nicht zu beschreiben ist. Man ist viel alleine, hat viel Zeit nachzudenken und zu analysieren. Man braucht diese Zeit und dieses Gespür für sich selbst aber auch. Im Berg reduziert sich alles auf einen selbst und die Bewegung. Da gibt es nur die Natur, den Berg und dich. Wenn du es raufschaffst, dann kommt dieser Kick: Man fühlt sich schwerelos, leicht, wie der König der Welt, unbesiegbar und mit Superkräften. Man spürt jeden Muskel, ist voll unter Strom. Aber der Weg ist erst zur Hälfte getan, du musst wieder runter und erst am Boden unten kommt dann der zweite Rausch. Zum einen lässt die ganze Spannung locker, man fühlt sich frei, lebendig, und gleichzeitig aber auch so geladen, dass man denkt, es zerreisst dich vor lauter Energie.
x-do: Markus, Du hast Familie, wie geht es dieser im Bezug auf Deinen Lebenswandel? Wie kommen sie damit klar?
Markus P: Mit 17 habe ich meine Partnerin Tina ken- nengelernt. Mittlerweile sind wir 24 Jahre zusammen. Wir haben uns als das, was wir sind kennen- und lieben gelernt. Wir haben zwei wunderbare Töchter, die mein ganzer Stolz sind. Meine Familie ist mir das Wichtigste im Leben, aber ich brauche auch Zeit für mich. Natürlich sagen sie zu mir, ich soll auf mich achtgeben, wenn ich mich auf eine Tour losmache, aber in den Bergen bin ich zu 100% konzentriert. Un- vorsicht bringt Fehler, zusätzlich zu den objektiven Gefahren. Aber wenn du dich selbst gut kennst und
dir selbst vertraust, dann hast du schon halb gewon- nen. Am Anfang möchtest du vielleicht noch etwas den anderen beweisen, aber mittlerweile steckt bei mir kein Zwang mehr dahinter. Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich halte mein Ego gut unter Kon- trolle. Auch mit meinen Kindern wandern und klettern wir gerne, gehen danach etwas essen oder machen Urlaub auf der Alm. Die Berge gehören zu mir und meiner Familie.
x-do: Wenn ich Dir so zuhöre, dann bist Du gar nicht der verrückte, waghalsige Riskierer, für den man Dich halten möchte. Ganz im Gegenteil, Du kommst mir ziemlich vernünftig vor, wie siehst Du Dich?
Markus P: Wie gesagt, ich muss niemandem etwas beweisen. Von alten schlauen Füchsen lasse ich mir gerne Tipps geben, ich bin nicht stur, sondern offen den Meinungen gegenüber. Schwachsinn kann ich mühelos ignorieren und bevor ich Streit suche, gehe ich lieber. Ich bin kein Extremer, ich esse alles, ab und zu rauche ich auch oder trinke Alkohol. Wenn ich von einem hohen Berg runtersehe, kommt auch mir oft ein angenehmes Gruseln. Ich bin also ziemlich normal ☺ Ziele sind für mich sehr wichtig, aber über Geld mache ich mir wenig Sorgen. Früher hatte ich so kleine Jobs nebenher, seit 20 Jahren bin ich haupt- beru ich Bergführer und Industriekletterer, der Mann also der im Steinbruch lockere Steine runterschlägt oder an Bauten was montiert, wo andere nicht dazu- kommen. Wenn mir danach ist, bin ich auch ein guter Handwerker und wer weiss vielleicht bin ich im Alter irgendwo Hausmeister, der einfach einer gemütlichen Arbeit nachkommt.
x-do: So weit wollen wir noch gar nicht denken. Ver- rate uns zum Schluss noch Deinen Antrieb. Was ist für Dich das Besonderste an den Bergen?
Markus P: Die Ehrlichkeit. Umso ehrlicher du zu dir selbst bist, umso leichter geht alles. Da oben am Berg kannst du niemandem etwas vormachen. DAS ist die grosse Besonderheit für mich.
Wir bedanken uns für das sehr sympathische Gespräch mit Markus Pucher, einem Mann, der hoch hinaus kommt und dennoch so verwurzelt am Boden bleibt. Vielleicht ist auch das das Rezept, bei allem was man tut. Etwas zu machen, weil es Freude bereitet, es so lange zu machen, solange man diese Freude spürt und sich einge- stehen zu können, dass alles ein Ablaufdatum hat und jeder Moment gelebt und genossen werden sollte. Wir wünschen Markus Pucher alles Gute für seine Zukunft und freuen uns, solange er uns weiter an seinen Abenteuern teilhaben lässt.


































































































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